Lindlbrunnen

Bis in das 19. Jahrhundert hinein sicherten drei Brunnen auf dem Stadtplatz die Versorgung der Bürger mit Wasser und waren zudem zentrale Orte der Kommunikation und des sozialen Lebens. Gemäß ihrer Lage wurden sie in den frühesten Dokumenten schlicht als „oberer, mittlerer und unterer Brunnen auf dem Platz“ bezeichnet. Der obere oder Fischbrunnen befand sich bis 1884 zwischen Oswaldkirche und Heimathaus, eine einfache, quadratische Anlage mit türmchenartiger Mittelsäule, deren Becken als Fischkalter diente. Der untere oder Florianibrunnen, 1549 erstmals genannt und zunächst ganz aus Holz, wurde 1679 neu aus rotem Marmor gestaltet und erhielt 1767 anstelle der aufgemalten Floriansfigur an der Säule dessen Bildnuss [...] von aichenen Holz darauf gesetzt. 1894 musste er dem monumentalen Luitpold- oder Trunabrunnen weichen, der wiederum in den 1940er Jahren den Kriegsmetallsammlungen zum Opfer fiel. Der moderne Erlebnisbrunnen des Gautinger Künstlers Dieter Clarenbach setzt als Abschluss der Sanierung und Neugestaltung des Stadtplatzes seit 1999 die unterbrochene Brunnentradition an dieser Stelle fort.

Einziger Überlebender des historischen Dreigestirns ist der mittlere oder Lindlbrunnen. Die lebensgroße Figur schuf 1526 „Meister Stephan“ (sehr wahrscheinlich handelt es sich um den bekannten Landshuter Bildhauer und Steinmetz Stephan Rottaler) aus rotem Ruhpoldinger Marmor, Brunnstube und Umgriff aus Eichenholz wurden jedoch erst 1646 durch weissen Märblstain ersetzt. Aus der Mitte des achteckigen Brunnenbeckens erhebt sich eine Balustersäule mit Frührenaissancekapitell. Am Schaft sind vier Wappenschilde angebracht: südlich die bayerischen Rauten, westlich der Pfälzer Löwe, nördlich das Stadtwappen, östlich das des Herzogtums Baden (Heimat der Gemahlin des damals regierenden Herzogs Wilhelm, Jacobäa). Bekrönt wird sie von einem Ritter in mailändischer, auch burgundisch oder maximilianisch genannter Rüstung. In der rechten beschienten Hand hält er ein auf dem Boden abgestütztes Schild, das mit dem Reichsadler und dem Entstehungsjahr geziert ist, in der ebenfalls beschienten Linken trägt er eine mit dem Stadtwappen bemalte Renn- oder Reiterfahne aus Schmiedeeisen. Die selbstbewusste Ritterfigur kann mit einigem Recht als Symbol des erstarkenden Bürgertums des 16. Jahrhunderts interpretiert werden. Stets wurde sie nur als märbelstainerner Mann auf dem Brunnen bezeichnet. Der Name „Lindl“ (auch: Liendl) findet erst im 19. Jahrhundert Verwendung, seine Deutung ist so einfach wie unspektakulär. Schmellers Bayerisches Wörterbuch definiert ihn allgemein als (scherzhafte) Bezeichnung einer männlichen profanen Statue.

Eine kleine archäologische Sensation ist der im Zuge der Stadtplatzsanierung 1998 gefundene Schacht, ein Schöpf- oder Ziehbrunnen aus der Zeit der Stadtgründung um 1300. Er ist als Vorläufer des Lindlbrunnens zu sehen. Sein Aufbau wurde 1525 abgebrochen. Der aufgelassene Brunnen hatte wohl noch etwa ein Jahrhundert als stille Reserve Bestand, bevor er im 17. und 18. Jahrhundert als Müllkippe diente und anschließend verfüllt wurde. Die Bergung seines Inhalts brachte Alltagsgegenstände, Münzen und Nahrungsabfälle der frühen Neuzeit zu Tage, die interessante Einblicke in die bürgerliche Sozialgeschichte gewähren. Ein Bronzezylinder mit Glasabdeckung sichert jetzt den spätmittelalterlichen Schacht und gewährt dem Betrachter einen faszinierenden Blick in die Tiefe.

Literatur: JUDITH BADER, Die Brunnen – Zeichen im Platz, in: Der Traunsteiner Stadtplatz, Traunstein 1999, S. 124–137.

Leider haben wir keinen Alternativtext zu diesem Bild, aber wir arbeiten daran.
Der Lindlbrunnen früher (© Stadtarchiv Traunstein)
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Der Lindlbrunnen heute (© Günter Standl, Laufen)