Stadt im Herzogtum

Blütezeit im 16. Jahrhundert

Traunstein und das Salz – so überschrieb der Heimatforscher Georg Schierghofer sein Standardwerk, in dem er 1911, wenn auch nicht immer frei von Fehlern, dessen Stellenwert hervorhob. Für die Stadt war das Weiße Gold bis zum Ausgang des Mittelalters der Wirtschaftsfaktor schlechthin. Reichenhall mit seinen natürlich vorkommenden Solequellen war das Zentrum der Produktion. Der Handel wurde von reichen Bürgern, den Salzsendern, betrieben. Er ging stafettenartig von Ort zu Ort, wo jeweils Lagerung und Weiterverkauf erfolgen mussten. Das Umfahren eines solchen Stapel- und Umschlagplatzes war bei hoher Strafe verboten. Und man achtetet penibel auf die Einhaltung dieser Vorgaben; denn Salz brachte Wohlstand. Traunstein war schon um 1300 eine Niederlage für das Reichenhaller Salz mit einem der Lagerung dienendem „Salzhaus“. 1359 bestätigte Herzog Stephan den Traunsteinern, dass sie das Salz von Reichenhall holen und die Wasserburger es von hier aus zu sich an den Inn bringen sollten.

1510 erhielt Traunstein eine neue Ratswahlordnung. Das alte, aus acht Personen bestehende Gremium wurde abgelöst durch einen Inneren Rat mit sechs Mitgliedern, von denen zwei (später vier) jeweils ein halbes Jahr als Bürgermeister amtierten. Er hatte die Exekutivgewalt und wurde von acht Äußeren Räten kontrolliert. Neu war neben der Gliederung in zwei Kammern das Amt des Bürgermeisters. Bislang waren in den Urkunden stets nur „Rat und Gmain der Purger“ aufgeführt worden. Auch in der Jurisdiktion änderten sich die Befugnisse. Sämtliche Delikte mit Ausnahme der höherinstanzlich angesiedelten Kapitalverbrechen – schwerer Diebstahl, Straßenraub, Totschlag und Notzucht – hatte bislang der herzogliche Richter abgeurteilt. Der Rat war an den Verhandlungen lediglich beteiligt. Fortan übte er die niedere Gerichtsbarkeit in eigener Zuständigkeit aus.

Ebenfalls 1510 gewährte der Landesfürst zwei weitere Jahrmärkte. Wirtschaftlich erstarkt, rechtlich abgesichert und begünstigt durch den anhaltenden Frieden nach dem Landshuter Erbfolgekrieg – er hatte das geteilte Bayern vereinigt und Traunsteins niederbayerische Episode beendet – war es der Stadt möglich, innerhalb kurzer Zeit nahezu alle öffentlichen Bauten zu verwirklichen, die ihr Gesicht bis zum Brand von 1851 prägten.

Schon 1493 waren die Straßen und Gassen gepflastert worden. 1501 wurde die Oswaldkirche, 1526 der Lindlbrunnen mit Rossschwemme neu errichtet. Der „märbelsteinerne Mann auf dem Brunnen“, eine Ritterfigur in Maximiliansharnisch, wurde zum Wahrzeichen Traunsteins. Der ruinöse obere Turm wurde 1541 abgebrochen und wieder aufgebaut; das Gleiche geschah 1548 mit seinem unteren Pendant. Während in diesen beiden Fällen das heimische Handwerk herangezogen wurde, leistete man sich ein Jahr später auswärtige Spezialisten. Italienische Baumeister mauerten „einen Zwinger bei den Fleischbänken“, das „unterste“ oder Mauttor, ein großes Gebäude mit einem Dachreiter aus Holz. Für ihre Arbeit erhielten die „Walchen“ hohen Lohn und einen „Bschlusswein“. 1568 baute die Stadt einen Salzstadel, der die bisherigen Dimensionen sprengte: Auf einer Länge von 130 (später 190) Meter zog er sich über den gesamten Bereich des jetzigen Maxplatzes. 1576 vollendete das Rathaus am Stadtplatz das städtische Weichbild.

       

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Die älteste Ansicht der Stadt Traunstein zeigt die Kirche St. Oswald, die herzogliche Veste sowie die mit Türmen bewehrte Stadtmauer. (Tuschzeichnung, koloriert, Philipp Apian, um 1560, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 5379/3)

   

Eine spätgotische Stadtführung


Die erste verlässliche Gesamtansicht, ein Deckengemälde Hans Donauers im Antiquarium der Münchner Residenz, zeigt Traunstein von Osten her gesehen. Dominant erhebt sich Sankt Oswald über die ummauerte Stadt. Eckpfeiler der Befestigung sind das Schaumburger Schloss (rechts) und die herzogliche Veste (links) sowie im Vordergrund der untere Turm mit dem Salzburger Tor und im Hintergrund der obere oder „Stadtknechtturm“ rechts neben der Kirche, die das unmittelbar neben ihm stehende Tor verdeckt. Nicht abgebildet ist Heilig Geist, das Viertel der Armen, Siechen und Leprosen. Dort war die „lange Prukken“ über die Traun. Durch das Mauttor am Ende des Vorbergs gelangte man über eine steile Anhöhe, den „Khniepaß“, zum Salzburger Tor. Es gab den Blick frei auf den Straßenmarkt, der von der nördlichen und südlichen Häuserfront („Sonn- und Schadtzeile“) begrenzt wurde. Die gewaltige Baumasse der Kirche schloss die Weite des Platzes ab. Im Westen verließ man die Stadt durch das Münchner Tor und den Durchgang des vorgelagerten Salzstadels.

Außer den beiden Hauptzugängen gab es noch zwei kleinere „Türl“; im Norden das Schaumburger- oder Brunntürl, von dem aus der Türlberg in die (Brunn-)Wiese führte, im Süden an der Stelle des heutigen Löwentores das Au- oder Stadtmeistertürl. Beide waren ebenfalls mit Türmen und Vorwerken bewehrt. Ein weiterer Turm an der südwestlichen Ecke der Stadtmauer, das „Haseneck“, beherbergte das Gefängnis und den Pfandstall für beschlagnahmtes Vieh; im oberen Turm war eine zweite Arreststube.

Das städtische Gebiet beschränkte sich jedoch nicht auf das Innere der Ringmauer samt den drei Vorstädten Heilig Geist, Vorberg und Wiese, es schloss vielmehr das Areal des Burgfriedens mit ein, der 1606 zum ersten Mal beschrieben wurde. Im Wesentlichen entsprach er dem Stadtkreis vor der Gebietsreform von 1972. Die einzige öffentliche Einrichtung extra muros blieb lange Zeit das 1547 etwa eineinhalb Kilometer nördlich an der Traun erbaute Wildbad Empfing. Ungeachtet aller späteren Analysen, die dem Wasser jegliche Heilkraft absprachen, war es ein wesentlicher Bestandteil der damaligen Hygiene und Gesundheitsvorsorge, als – einhundert Jahre vor dem ersten „Medicus“ – Ober- und Unterbader die einzigen Ärzte waren.

 

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Erste detailgetreue Gesamtansicht Traunsteins (Wandmalerei, Hans Donauer, München, um 1590, Antiquarium der Münchner Residenz)

    

Bürger und Inwohner, Zünfte und Stümpler


Traunstein hatte zu Beginn des 17. Jahrhunderts etwa 1.200 Einwohner. Nur gut ein Zehntel von ihnen, ausschließlich Männer mit Besitz, waren Bürger. Sie gaben den Ton an und bestimmten über den Familienverbund, zu dem neben Frau und Kindern auch die Gesellen, Lehrlinge, Knechte und Dienstmägde zählten. Eine nachrangige Stellung nahmen die „Inwohner“ ein. Handwerk und Gewerbe waren in den auf christlicher Grundlage aufgebauten Zünften organisiert. Ihr Aufgabenbereich umfasste die Sicherung des Nahrungsstandes und die Sorge um die Ausbildungs- und Arbeitsverhältnisse sowie das Seelenheil ihrer Mitglieder. Jährlich wurde nach der Ratswahl vor versammelter Gemeinde eine Reihe von Vorschriften öffentlich verlesen. Die Regeln waren streng; beispielsweise mussten die Metzger zu festgesetzten Zeiten und Preisen ihr Fleisch auf den Fleischbänken am Kniebos feilbieten, die Bäcker Brot und Semmeln im Brothaus. Letzteres war seit 1576 im Gewölbe des Rathauses und nicht im oberen Turm, der diese Funktion erst viel später und nur für kurze Zeit übernahm.

Jede Branche passte peinlich genau darauf auf, dass ein verwandter Beruf ihr ja keinen Auftrag abspenstig machte. Gegen die unzünftigen „Sterer, Frötter und Stümpler“ aber, die ins Handwerk pfuschten, hielt man zusammen. Unnachgiebig ging man gegen diese leidige Konkurrenz vor. Heiraten durfte nur, wer ein selbstständiges und gesichertes Einkommen vorweisen konnte. Eine nicht geringe Anzahl unehelicher Kinder war die Folge. Aber auch seltsam anmutende Allianzen kamen zustande, wenn ein Geselle seine Chance ergriff und in eine Werkstatt einheiratete. Hatte er Glück, bekam er zur Meisterstelle die Tochter, im anderen Fall die um Jahrzehnte ältere Meisterswitwe.

1587 verstaatlichte Herzog Wilhelm den Salzhandel. Unregelmäßigkeiten in der bedarfsgerechten Versorgung waren hierfür der offizielle, eine leere Staatskasse der eigentliche Grund. Nachdem sie zuvor fast sämtliche Siederechte an sich gebracht hatten, waren die bayerischen Landesherren jetzt nicht nur die größten Salzproduzenten, sondern auch die mächtigsten Salzhändler Süddeutschlands. Die reichen Salzsender verließen Traunstein, die ganz auf Salz ausgerichtete Wirtschaft geriet ins Stocken. Wortreich beklagten Bürgermeister und Rat, „daß Traunstain, gleich vorm Gebürg und an ainem wintrigem Orth und gar auf der Greniz [Grenze] gelegen so [= und] mit khainem Wasserstromb oder durchgehenden Landtstrassen fürsechen. Daß auch allda, ausser ettlich wenigen, so ir tägliche Nahrung haben, gar ein[e] verarmbte, schlechte, nottige Burgerschafft […] gueterthails in Abschlag und Hinterstelligkhait ihres Vermigens geratten.“

Unschwer lässt sich diese triste Lagebeschreibung als eine Anhäufung halbwahrer und zweckpessimistischer Behauptungen erkennen, denn eine Verarmung war keinesfalls eingetreten. 1568 hatte der Herzog Traunstein den Scheibenpfennig verliehen: Für jede niedergelegte „Scheibe“ – eine Maßeinheit von 68 Kilogramm – Reichenhaller Salz mussten die Händler einen Pfennig bezahlen. Dieser Zoll wurde als staatlicher Zuschuss beibehalten. Bis zum Jahr 1800 betrug sein Anteil an den städtischen Gesamteinnahmen im Durchschnitt 25 Prozent. Auch die Funktionen als Handwerkerstadt und Marktzentrum blieben erhalten. Hinzu kam eine hervorragende verkehrstechnische Anbindung durch den Ausbau der Salzstraßen. Doch anstelle der freien Marktwirtschaft des Spätmittelalters war die absolutistisch gelenkte Staatswirtschaft der frühen Neuzeit getreten.

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Der Salzstadel vor dem oberen Tor (Druck auf Karton, Zeichnung von Adolf Kunst, Regensburg, um 1910, Stadtarchiv Traunstein, GL 514)